Rechtswissenschaft
Heiner Alwart
Strafprozess im stahlharten Gehäuse der Vergangenheit
Eine Kritik an den aktuellen Strafverfahren gegen KZ-Personal
Jahrgang 77 (2022) / Heft 14,
S. 715-722 (0)
Publiziert 14.07.2022
Als fast alle tot waren, änderte sich die Sichtweise. Erst vor etwa einem Jahrzehnt begann die Justiz bei Taten, die in den KZs des Naziregimes begangen worden waren, auf einen konkreten Nachweis zu verzichten. Für eine Verurteilung wegen Mordbeihilfe soll genügen, dass ein damals Jugendlicher in einem bestimmten Zeitraum – als Teil einer Tötungsmaschinerie – zur Wachmannschaft gehörte. Diese Zurechnungskonstruktion hängt jedoch von kollektiven Elementen ab, die früher tragfähig gewesen wären, es aber heute schon seit Langem nicht mehr sind. Die strafrechtliche Kursänderung wäre daher besser unterblieben, und wenigstens den allerletzten Verfahren sollte Einhalt geboten werden.