Internationale Schiedsgerichte stellen aufgrund ihrer fehlenden Einbindung in nationale Gerichtsorganisationen eine wichtige Form grenzüberschreitender Streiterledigung dar. Boris Handorn untersucht, welche besonderen Regeln Schiedsrichter und Parteien in Deutschland lokalisierter internationaler Schiedsverfahren bei der Bestimmung des anwendbaren Sachrechts zu beachten haben und entwickelt ein autonomes Kollisionsrecht im Spannungsverhältnis von Flexibilität und Rechtssicherheit der Anknüpfungsentscheidung.
Internationale Schiedsverfahren, denen die Einbindung in eine bestimmte staatliche Gerichtsorganisation fehlt, werfen in besonderer Weise die Frage nach dem in der Hauptsache anwendbaren Recht auf. Für in Deutschland lokalisierte Schiedsgerichte enthält § 1051 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung eine spezielle Kollisionsnorm zur Bestimmung des maßgeblichen Sachrechts.
Boris Handorn untersucht, welche besonderen Regeln Schiedsrichter und Parteien in Deutschland lokalisierter internationaler Schiedsverfahren bei der Bestimmung des anwendbaren Sachrechts zu beachten haben, und kommt zu dem Ergebnis, dass das Europäische Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) die Vertragsstaaten nicht dazu verpflichtet, die für Schiedsgerichte geltenden Kollisionsregeln entsprechend dem Übereinkommen auszugestalten. Ebenso wenig enthält § 1051 Abs. 1 und 2 ZPO eine bloße Verweisung auf die allgemeinen (Vertrags-)Kollisionsnormen der Art. 27 ff. EGBGB.
Im Mittelpunkt der notwendigen Konkretisierung der in § 1051 Abs. 1 und 2 ZPO niedergelegten kollisionsrechtlichen Grundsätze steht das Spannungsverhältnis zwischen Flexibilität und Rechtssicherheit der Anknüpfungsentscheidung. Der Autor vertritt hier einen am internationalen Entscheidungseinklang der beteiligten IPR-Systeme orientierten rechtsvergleichenden Ansatz. Aus diesem ergeben sich sowohl die Schranken der Parteiautonomie als auch die im Fall einer objektiven Anknüpfung anzuwendende Kollisionsregel, die das Grundprinzip der engsten Verbindung konkretisiert.
Schließlich wird am Beispiel des Verbraucherkollisionsrechts die Rolle individualschützender Sonderanknüpfungen bei der Sachrechtsbestimmung in internationalen Schiedsverfahren untersucht.
Inhaltsübersicht:
EinleitungProblemstellung - Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Begriffsbestimmungen - Fragen des anwendbaren Rechts im internationalen Schiedsverfahren - Begriff des Sonderkollisionsrechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Erster Teil
Grundlagen des Sonderkollisionsrechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - Das von staatlichen Gerichten anzuwendende Kollisionsrecht - Fehlen einer »natürlichen« lex fori internationaler Schiedsgerichte - Der räumliche Anwendungsbereich des deutschen Schiedsverfahrensrechts
Quellen des Sonderkollisionsrechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - Staatsvertragliche Kollisionsvorschriften im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - Autonomes Sonderkollisionsrecht: § 1051 ZPO und die Vorbildnorm des Art. 28 UMG - Der sachliche Anwendungsbereich des Sonderkollisionsrechts - Universelle Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes - Beschränkung des § 1051 I und II ZPO auf die Ermittlung des Vertragstatuts?
Die Bedeutung des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens (EVÜ) für das Sonderkollisionsrecht gemäß § 1051 I, II ZPO - Staatsvertraglicher Charakter des EVÜ und seine Umsetzung in Deutschland - Völkerrechtliche Bindung des Gesetzgebers zur Anwendung des EVÜ in internationalen Schiedsverfahren? - § 1051 I, II ZPO als Verweisungsnorm auf das allgemeine IPR?
Zweiter TeilAnknüpfungsgrundsätze des Sonderkollisionsrechts - Die Bestimmung des anwendbaren Sachrechts durch die Parteien Gemäß § 1051 I ZPO - Grundsatz der Parteiautonomie
EinzelfragenDie objektive Anknüpfung des anwendbaren Sachrechts durch das Schiedsgericht - Unterschiedliche methodische Ansätze zur objektiven Anknüpfung und ihre Regelung in Sonderkollisionsnormen - Auslegung des § 1051 II ZPO - Objektive Anknüpfung gemäß § 1051 II ZPO und die lex mercatoria - Überprüfbarkeit der kollisionsrechtlichen Entscheidung durch staatliche Gerichte
Dritter Teil
Sonderanknüpfungen
Schranken der Parteiautonomie in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Internationales Vertragsrecht - Rechtswahl bei Streitfragen außerhalb des Vertragsstatuts - Eingriffsnormen des »öffentlichen« Wirtschaftsrechts - Verbraucherschützende Sonderanknüpfungen vor internationalen Schiedsgerichten - Zur Relevanz internationaler Schiedsverfahren mit Verbraucherbeteiligung - Berücksichtigung international zwingender Verbraucherschutznormen im - Orientierung an verbraucherschützenden Sonderanknüpfungen des allgemeinen IPR