Der vorliegende Band vereint neue Forschungen zur Geschichte dieser wichtigen Bildungsinstitution mit Beiträgen zu bedeutenden Stiftlern, die für die Philosophie- und Theologiegeschichte sowie die Literatur wichtig geworden sind. Der »Vorgeschichte« des Hauses als Augustinerkloster wird dabei ebenso nachgegangen wie der Begründung des Idealismus und der Zeit des Stifts im Nationalsozialismus.
2012 jährte sich zum 750. Mal die Gründung des Augustinerklosters in Tübingen, in dem ab 1547 das Herzogliche Stipendium, heute bekannt als Evangelisches Stift, untergebracht ist. Eine Fachtagung hat die Geschichte dieser wichtigen Bildungsinstitution untersucht und neue Forschungsbeiträge hervorgebracht. Dabei wird der Zeit als Augustinerkloster ebenso nachgegangen wie den Veränderungen des Stipendiums in der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte der Institution (u.a. im Dreißigjährigen Krieg und im Verhältnis zur Stadt um 1800) stehen neben solchen zu den Stipendiaten (ihren Reisestipendien, der Heiratspolitik der Ehrbarkeit um 1800, den Verbindungen im Stift). Beleuchtet werden auch die Bedeutung für die Philosophiegeschichte (Schelling, Hegel, Hölderlin), die Theologie (Ferdinand Christian Baur) und die Literaturgeschichte. Die Übertragung des Stipendiums an die Kirche nach 1918, die Zeit des Nationalsozialismus (am Beispiel von Fezer und Wurm) und die Einführung der heute noch geltenden Stiftsordnung (1969 in ihrer vorläufigen Form) geben Einblick in die massiven Veränderungen der Institution im 20. Jahrhundert.
Inhaltsübersicht:
Michael Klaus Wernicke: Ursprünge des Augustiner-Eremitenordens und die Niederlassung in Tübingen -
Ulrich Köpf: Das Tübinger Augustinereremitenkloster und die Anfänge der Universität Tübingen -
Lothar Vogel: Das Gutachten des Johann von Staupitz zur sonntäglichen Messpflicht. Ein theologisches Zeugnis seiner Tübinger Lebensphase -
Hermann Ehmer: Vom Augustinerkloster zum herzoglichen Stipendium. Das Stift als Modellfall der Klosterreformation? -
Volker Leppin: Jakob Heerbrand. Ein Superattendent in den Diskursen seiner Zeit -
Sabine Holtz: Studieren im Krieg. Die Auswirkungen des 30jährigen Krieges auf das Fürstliche Stipendium in Tübingen -
Götz Homoki: Grenzüberschreitung und Konformität. Reisende Herzogliche Stipendiaten des Tübinger Stifts in Selbstzeugnissen des ausgehenden 17. Jahrhunderts -
Johannes Michael Wischnath: Stift und Stadt um 1800 -
Priscilla A. Hayden-Roy: »die Hofnung auf gewisse bäldere Bedienstigungen«. Kirchenamt, Heiratspolitik und württembergische Ehrbarkeit im Umfeld Hölderlins -
Christian Danz: Zwischen Fragmentenstreit und Spinoza-Büchlein, oder: Von der Bibelhermeneutik zum spekulativen Idealismus. Der junge Schelling im Stift -
Jens Halfwassen: Kein Idealismus ohne Platonismus. Über die Anfänge des Idealismus im Tübinger Stift -
Volker Henning Drecoll: Ein Empfehlungsschreiben von Friedrich Wilhelm Josef Schelling für seinen Sohn -
Martin Bauspieß: Geschichte und Theologie bei Ferdinand Christian Baur -
Wolfgang Schöllkopf: Aus der Geschichte der Stiftsverbindungen. Anfänge und exemplarische Entwicklungen -
Irmgard Männlein-Robert: Die Konstruktion der antiken Mythologie bei Gustav Schwab. Eine populäre Mythenpräsentation zwischen Klassizismus und Frühromantik -
Barbara Potthast: Zur Bedeutung des Stifts für die Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts -
Juliane Baur: Christoph Schrempf und der Apostolikumsstreit -
Jürgen Kampmann: Die Übertragung des Tübinger Evangelischen Stifts in das Eigentum der württembergischen Landeskirche 1919-1928 -
Siegfried Hermle: Karl Fezer und Theophil Wurm. Das Evangelische Stift zwischen 1930 und Mitte der 1950er Jahre -
Hans-Dieter Wille: Die Entstehung der Stiftsordnung von 1974