Christoph Schwöbel entfaltet in seinen Studien das Potential christlichen Glaubens als Orientierungswissen: Im christlichen Glauben erfahren Menschen ihre nicht überschreitbare Orientierung in der Erfahrung der Selbsterschließung Gottes, die Menschen in der Beziehung zu Gott so verortet, dass daraus auch die Form und die inhaltliche Prägung ihrer Beziehungen zur Welt und zu sich selbst erschlossen werden. Schwöbel reflektiert in Einzelstudien die Anatomie dieser Verortung im Gespräch mit anderen Disziplinen. So entfaltet er ein christliches Wirklichkeitsverständnis vor den Fragen der Gegenwart und erprobt die Orientierungskraft des christlichen Glaubens im 21. Jahrhundert.
Ausgehend von der gesellschaftlichen »Orientierungskrise« zu Beginn des 21. Jahrhunderts entwickelt Christoph Schwöbel (1955-2021) ein Verständnis des christlichen Glaubens als Quelle für Orientierungswissen. Religiöses Orientierungswissen zeichnet sich durch seine Standortgebundenheit und seine Perspektivität aus. Es stellt eine dem Menschen gewährte, nicht vom Menschen selbst aktiv gewonnene Orientierung dar. In diesem Sinne versteht Schwöbel religiöses Orientierungswissen als Basis und Horizont aller aktiven menschlichen Orientierungsversuche. Theologie als Arbeit am Orientierungswissen vollzieht Schwöbel in seinen Studien exemplarisch: Er entfaltet die Orientierungskraft der dogmatischen Strukturen des christlichen Glaubens für das Leben in der religiös-weltanschaulich pluralistischen Gesellschaft der Gegenwart im interdisziplinären Gespräch, mit der Praxis der Kirche, mit biblischer Theologie, mit Religionsphilosophie und Religionswissenschaft, aber auch mit Naturwissenschaft, Politik, Musik und Literatur und im Gespräch mit anderen religiösen Traditionen. In ihrer Gesamtheit erhellen diese Einzelstudien, entstanden größtenteils während seiner Tätigkeiten als Professor in Heidelberg und Tübingen (1999-2018), die Strukturen von Schwöbels Theologie und ihre Gegenwartsbedeutung.
Inhaltsübersicht:
1. Arbeit am Orientierungswissen. Theologie im Haus der Wissenschaften
2. Wissenschaftliche Theologie. Ausbildung für die Praxis der Kirche an staatlichen Universitäten im religiös-weltanschaulichen Pluralismus
3. Was leistet die wissenschaftliche Theologie für die Kirche?
4. Die Unverzichtbarkeit der Frage nach dem Wirklichkeitsverständnis des christlichen Glaubens in der Dogmatik
5. Wie biblisch ist die Theologie? Systematisch-theologische Bemerkungen zur Themafrage
6. Erwartungen an eine Theologie des Alten Testaments aus der Sicht der Systematischen Theologie
7. Der Gott der Geschichte und der Gott der Weisheit. Systematisch-theologische Erwägungen im Anschluss an Gerhard von Rad
8. Systematische Theologie und Religionsphilosophie. Bemerkungen zu ihrer Verhältnisbestimmung
9. Theologie und Religionswissenschaft. Vorläufige Bemerkungen zur Gestaltung eines schwierigen Verhältnisses
10. Was ist ein Gottesdienst? Theologische Kriterien zur Angemessenheit der gottesdienstlichen Feier
11. Sein oder Design - das ist hier die Frage. Christlicher Schöpfungsglaube im Spannungsfeld von Evolutionismus und Kreationismus.
12. Die Religion der Natur und die Natur der Religion. Theologische Perspektiven auf die Doppeldeutigkeiten des Verständnisses von Natur und Religion
13. Gottes Stimme und die Demokratie. Theologische Unterstützung für das neue demokratische System
14. Zweierlei Gnade. Schuld und ihre Bewältigung bei Dostojewskij und Thomas Mann
15. Glaube und Musik. Gedanken zur Idee einer Theologie der Musik
16. Versprechen und Vertrauen. Evangelische Identität in der multikulturellen Gesellschaft
17. Religion und Religionslosigkeit. Bonhoeffers Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft - eine Perspektive für den religiösen Pluralismus?
18. Jenseits von Indifferenz. Religiöse Traditionen als Ressourcen interreligiöser Toleranz
19. Denkender Glaube. Strukturmomente des christlichen Glaubens und die Praxis christlicher Theologie im Gespräch mit islamischer Theologie
20. Stoff des zukünftigen Lebens. Der Mensch und seine Bildung aus der Sicht der Systematischen Theologie