Der erste der auf vier Bände angelegten Sichtungen der Bestimmung 'Leben' stellt in chronologischer Folge wichtige Grundkonstellationen des entsprechenden Begriffsfeldes von Aristoteles bis Schelling vor. Damit werden Lebensdiskurse aufgedeckt, die in den bioethischen Debatten fehlen. Es wird deutlich, wie der Eigensinn des Lebens und die Rede vom Leben sich gegenseitig anregen und beeinflussen.
Der erste Band der von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe der FEST auf vier Bände angelegten Forschungen zur Bestimmung des Lebens stellt in chronologischer Folge wichtige antike Grundkonstellationen des entsprechenden Begriffsfeldes vor, beleuchtet deren Nachgeschichte in den Kondensationen und Renaissancen von Augustinus bis in das Naturrecht hinein, führt innovative mit Descartes einsetzende Differenzierungsmodelle vor, die in Kants kritische Sichtung der Teleologie des Lebens münden. Fusionsversuche neuer Art, die vom Pietismus bis zu Schellings Metaphysik reichen, beschließen den Band.
Die Autoren der vorliegenden Studien des Bandes arbeiten exemplarisch heraus, wie in der europäischen Kulturgeschichte vom Leben geredet wurde, wann und weshalb der Lebensbegriff an Bedeutung gewann und warum die Rede vom Leben mit einer eigenen Konfliktgeschichte verbunden ist. Von besonderem Interesse sind dabei jene Diskussionen, die für christliche Traditionen direkt oder latent relevant wurden. Immer wieder zeigt sich, wie Leben und die Rede vom Leben ineinander verschränkt sind, ohne aufeinander reduziert werden zu können. Geistesgeschichtlicher Diskurs und Gang ins Labor ergänzen einander notwendig. Ein Ziel der Aufarbeitungen ist, den Lebensdiskursen innerhalb der bioethischen Debatten ein diese anregendes Gegengewicht zu geben. Denn um entscheiden zu können, was zum Wohl von Lebewesen mit Lebendem getan und gelassen werden sollte, dürfte hilfreich sein, zu klären, was da genau gesteigert, geschützt, renaturalisiert, kultiviert oder in Frieden gelassen werden soll.
Inhaltsübersicht:
GrundkonstellationenStephan Schaede: Grundlegung I. Aristoteles -
Christoph Markschies: Grundlegung II. Platon, der Neuplatonismus und einige Folgen für die altkirchliche Rezeption -
Konrad Schmid: Lebensgewinn durch Wissensverzicht? Eine biblische Annäherung anhand der Paradieserzählung Gen 2f -
Christof Landmesser: Der Vorrang des Lebens. Zur Unterscheidung der anthropologischen und soteriologischen Kategorien Tod und Leben in der Theologie des Paulus im Anschluss an Röm 5f -
Christina Hoegen-Rohls: Ewigkeit und Leben. Johannes -
Gyburg Radke: Selbsterhaltung und Leben. Stoa
Kondensationen und RenaissancenHanns-Gregor Nissing: »Leben nach dem Geiste« - Augustin -
Jörn Müller: Die Seele als Seins- und Tätigkeitsprinzip des menschlichen Lebens nach Averroes, Albertus Magnus und Thomas von Aquin -
Joachim von Soosten: Worte geben Leben - Rhetorikdialektik und Theologie Luthers -
Matthias Freudenberg: »Warum den Flug in die Luft nehmen«? Leben und Lebensgestaltung bei Johannes Calvin mit Ausblicken auf den Calvinismus -
Enno Rudolph: »Leben« in der Renaissancephilosophie -
Klaus Tanner: Naturrecht und Leben
DifferenzierungenJoachim von Soosten: Leben und Maschinenmodell -
Peter McLaughlin: Descartes - Cartesische und newtonianische Biologie. Zur Entstehung des Vitalismus -
Stephan Schaede: Rationalismus und Aufklärungstheologie -
Gerald Hartung: Teleologie und Leben - Die Entwicklung bis zur Kant Kritik der Urteilskraft
FusionsversuchePhilipp Stoellger: Immanenzlust - Zur Entdeckung und Intensivierung der Immanenz des Lebens. Von Bruno über Spinoza zu Goethe -
Christian Senkel: Gottseligkeit und Simulation. Aspekte pietistischer Lebensführung -
Petra Bahr: Ruinen als Verheißung - Zum Lebensbegriff der Romantik -
Tom Kleffmann: Hegels Begriff des Lebens -
Christoph Ellsiepen: Der Begriff des Lebens bei Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher -
Dietrich Korsch: »Gott selbst ist kein System, sondern ein Leben.« Schellings Metaphysik des Lebens