Wie könnte die Idee gemeinsamer europäischer Streitkräfte realisiert werden? Nikolaus Scheffel analysiert das historische Modell der EVG aus den 1950er Jahren und stellt es dem heutigen Institutionengeflecht der GSVP gegenüber. Kritisch beleuchtet er die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG, bevor er ein Modell vorschlägt, das durch einen europäisierten Parlamentsvorbehalt demokratisch legitimiert wäre.
Die Sicherheit Europas lässt sich nur durch gebündelte Kräfte gewährleisten und eine gemeinsame Verteidigung würde nicht nur zu größerer Abschreckung gegenüber potentiellen Gegnern führen, sondern auch den Frieden innerhalb der Union garantieren. Aber nach welchem juristischen Konzept lässt sich die wiederkehrend thematisierte Idee gemeinsamer europäischer Streitkräfte realisieren? Nikolaus Scheffel analysiert das historische Vertragswerk der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft aus den 1950er Jahren und stellt es den aktuellen Regelungen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU gegenüber. Kritisch beleuchtet er die für die nationale Ebene relevante Rechtsprechung des BVerfG zum wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt und dessen "Integrationsfestigkeit“. Abschließend schlägt er unter Berücksichtigung der unions- und verfassungsrechtlichen Möglichkeiten ein Modell gemeinsamer europäischer Streitkräfte vor, die durch einen europäisierten Parlamentsvorbehalt demokratisch legitimiert wären.
Die Arbeit wurde mit dem Justizpreis Berlin-Brandenburg – Carl Gottlieb Svarez 2023 ausgezeichnet.
Inhaltsübersicht:
EinleitungI. Problemaufriss - die Frage der europäischen Verteidigung
II. Vorgehensweise der Arbeit
Teil 1: Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft - historische und rechtliche Analyse der UrsprüngeI. Entwicklung europäischer Sicherheitspolitik und historischer Hintergrund (1940-1950)
II. Schuman-Plan, Pleven-Plan und EVG-Verhandlungen
III. Rechtliche Grundprinzipien der EVG und ihre Ausgestaltungen
IV. Exkurs: Verfassungsrechtliche Probleme der EVG
V. Scheitern der EVG
VI. Zusammenfassung und Bewertung
Teil 2: Der aktuelle Stand der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach Lissabon im Verhältnis zur ursprünglichen EVGI. Die Entwicklung seit der EVG
II. Politisch-ökonomische Rahmenbedingungen heute
III. Rechtliche Grundprinzipien der GSVP seit Lissabon
IV. Exkurs: GSVP-Missionen
V. Zusammenfassung und Bewertung
Teil 3: Parlamentsheer vs. Verbundsarmee - Verortung europäischer Streitkräfte im Staaten- und VerfassungsverbundI. Der Staaten- und Verfassungsverbund in Europa in Hinblick auf den Verteidigungssektor
II. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für den Streitkräfteeinsatz in den anderen EU-Mitgliedstaaten
III. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen integrierter europäischer Streitkräfte aus deutscher Perspektive
IV. Möglichkeiten einer "Verbundsarmee“?
Teil 4: Die europäischen Streitkräfte - Modellvorschlag vor dem Hintergrund der damaligen EVG und der aktuellen GSVPI. Denkbare Modelle für die Integration des Verteidigungsbereiches und die Schaffung europäischer Streitkräfte
II. De lege ferenda: Rechtliche Grundprinzipien europäischer Streitkräfte unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Untersuchung zur EVG und GSVP
III. Organisation der schnellen europäischen Eingreiftruppe
Schlussbetrachtung