Seit ihren Anfängen hat sich die Phänomenologie als eine der einflussreichsten philosophischen Strömungen des 20. und 21. Jahrhunderts etabliert. Hiermit liegt das erste umfassende Handbuch in deutscher Sprache vor, das einen Überblick über die wichtigsten Grundmotive, Positionen, Entwicklungen und Anwendungsfelder der Phänomenologie verschafft.
Die Phänomenologie stellt eine der Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie dar und findet in zahlreichen Wissenschaften sowie in Praxis und Therapeutik starke Resonanz. Nach 120 Jahren Wirkungsgeschichte füllt die Bibliothek phänomenologischer Werke zahllose Bücherregale und selbst für Expertinnen und Experten ist die Forschungsliteratur mittlerweile unüberschaubar geworden. An allgemeinen Einführungen sowie spezialisierter Fachliteratur mangelt es dabei keineswegs, wohl aber an einem Handbuch, in dem sowohl der Vielfalt der historischen Entwicklungen als auch dem berechtigten Wunsch nach innerer systematischer Kohärenz Rechnung getragen wird. Das
Handbuch Phänomenologie schließt diese Lücke. Ausgewiesene Autorinnen und Autoren bereiten in eigens für diesen Band verfassten Artikeln komplexe sachliche Zusammenhänge übersichtlich auf. Durch seinen Aufbau eignet sich das Handbuch sowohl für Neulinge als auch für Fortgeschrittene. Anhand bündig präsentierter Grundbegriffe und Verfahren konturiert das Handbuch die Spezifik der phänomenologischen Methode, spart dabei jedoch nicht die Kontroversen und methodologischen Neuausrichtungen aus, die von ihrer Lebendigkeit und Vielstimmigkeit zeugen. Ein umfangreicher Schlussteil ist der Rezeption und Anwendung in einzelnen Wirkfeldern gewidmet. Als Hilfsmittel zur eigenständigen Erschließung der phänomenologischen Denkrichtung und zu ihrer Anwendung auf aktuelle Probleme zeichnet sich das Handbuch durch seine Lesefreundlichkeit und einen stark forschungspraktischen Bezug aus.
Inhaltsübersicht
A. Einleitung Emmanuel Alloa, Thiemo Breyer, Emanuele Caminada: Phänomenologie als lebendige Bewegung
Zum Handbuch – eine Gebrauchsanleitung – Was ist Phänomenologie? – Hintergründe und Orientierungen – Wider die Orthodoxie – Phänomenologie und/als Wissenschaft – Metaphysik und Methodik – Wozu Phänomenologie heute? – Ein Ausblick
B. Historische Entwicklungen I. Anfänge der Phänomenologie Emanuele Caminada: Husserl im Kontext –
Matthias Schloßberger: Münchener und Göttinger Kreis
- Emanuele Caminada: Die Freiburger Jahre –
Emmanuel Alloa: Martin Heideggers Sonderstellung –
Emmanuel Alloa/Emanuele Caminada: Phänomenologie im Nationalsozialismus –
Dieter Thomä: Heideggers Schwarze Hefte. Eine Bestandsaufnahme
II.
Marco Cavallaro: Rezeptionen der Phänomenologie III. Wendungen der Phänomenologie Matthias Schloßberger: Realistische Wendung –
Jens Bonnemann: Existenzialistische Wendung –
Inga Römer: Hermeneutische Wendung –
Iris Laner: Dekonstruktion –
Regula Giuliani: Responsive Wendung –
Peter Gaitsch: Theologische Wende –
Ovidiu Stanciu: Kosmologische Wende –
Søren Overgaard: Phänomenologie und Analytische Philosophie –
Thiemo Breyer: Naturalisierung der Phänomenologie
C. Werkzeugkasten
I. Grundkonzepte Emmanuel Alloa: Korrelation: Phänomenologie als Korrelationsforschung –
Thiemo Breyer: Intentionalität: Bewusstsein als Akt –
Julia Jansen: Evidenz: Anschauliche Wahrheit –
Nicolas de Warren: Konstitution: Was das Bewusstsein leistet –
Tobias Keiling: Gegenständlichkeit: Gegenstand und Gegebenheitsweise –
Christopher Erhard: Positionalität: Stellungnahme, Einstellung, Haltung –
Nicolas de Warren: Zeitbewusstsein: Retention, Impression, Protention –
Emmanuel Alloa: Gegenwärtigung und Vergegenwärtigungen: Wahrnehmung, Erinnerung, Fantasie – Maren
Wehrle: Leiblichkeit: Orientierung und Bewegung –
Marco Cavallaro: Perspektivität und Horizontalität: Situation, Feld, Welt –
Christian Ferencz- Flatz: Intersubjektivität: Ego und Alter Ego –
Maren Wehrle: Habitualität: Passivität, Gewohnheit, Tradition –
Karl-Heinz Lembeck: Lebenswelt: praktisch, ontologisch, transzendental –
Karl-Heinz Lembeck: Historizität: Geschichtlichkeit und Generativität
II. Methoden Andrea Staiti: 1 . Deskription –
Andrea Staiti: Epoché –
Thiemo Breyer/Julia Jansen: Eidetische Variation –
Dieter Lohmar: Reduktion –
Jagna Brudzińska: Statische und genetische Methode
D. WirkfelderI.
Emmanuel Alloa/Andris Breitling: Logik und SprachphilosophieMathematische Voranfänge – Von der Mathematik zur Logik – Logische Bedeutung und sprachlicher Ausdruck – Phänomenologie der 'sprechenden Sprache' – Einsätze und Entwicklungen phänomenologischen Sprachdenkens
II.
Paul Livingston: Erkenntnistheorie und MetaphysikGibt es eine phänomenologische Metaphysik? – Kritik des Repräsentationalismus: Internalismus, Externalismus und Cartesianismus – Konzeptualismus vs. Nonkonzeptualismus: Die Dreyfus-McDowell-Debatte – Die Transformationen des Transzendentalen: Der Schatten Kants – Formales, materiales und historisches Apriori – Sinn, Wahrheit und Zeit: Kann die Phänomenologie eine realistische Philosophie sein?
III.
Emanuele Caminada: Ethik und NormenWerttheoretische Ansätze – Das Problem der Normativität. Von der Wertethik zur Verantwortungsethik – Kritische Phänomenologie: auch eine Ethik?
IV.
Thomas Fuchs/Samuel Thoma: Psychologie und PsychiatrieZum Verhältnis der Phänomenologie zu Psychologie – und Psychiatrie – Phänomenologische Psychologie – Phänomenologie und Psychoanalyse – Phänomenologische Psychiatrie – Phänomenologische Psychopathologie einzelner Erkrankungen – Schluss
V. Anthropologie und Ethnologie Oliver Müller: Philosophische Anthropologie –
Hans Peter Hahn: Ethnologie
VI. Hans Bernhard Schmid/Gerhard Thonhauser: Sozialphilosophie und SoziologieIst Phänomenologie Solipsismus? – Ist eine phänomenologische Gesellschaftstheorie möglich? – Kann empirische Sozialforschung phänomenologisch betrieben werden? – Was ist Gemeinschaft eigentlich? – Gibt es eine Phänomenologie der Pluralperspektive? – Resümee
VII. Thomas Bedorf: Politische PhilosophieHusserls Staatsphilosophie – Totalitarismuskritik – Institution – Radikale Demokratie – Die politische Differenz – Situiertheit – Politische Affekte – Phänomenologien der Rassifizierung
VIII. Christina Schües: Feministische Theorie und Gender StudiesFeministischer Aufbruch – Gender Studies – Feministische Phänomenologie
IX. Emmanuel Alloa/ Eva Schürmann: Medien- und KulturwissenschaftenVermittelte Unvermitteltheit oder: Der Topos der Unmittelbarkeit – Phänomenologie der Kultur – Phänomenologie der Technik – Phänomenologie der Medien – Ausblick
X. Christian Grüny: Ästhetik und Künste
Positionen und Konstellationen – Felder
XI. Thiemo Breyer: Kognitions- und LebenswissenschaftenKognitionswissenschaften – Lebenswissenschaften
E. Apparat
I. Hilfsmittel und Ressourcen
II. Ausgaben phänomenologischer Hauptwerke