Trotz personeller Kontinuitäten zum Justizapparat des NS-Systems entwickelte sich unter dem Grundgesetz in kurzer Zeit eine rechtsstaatlich arbeitende Justiz, die einen klaren inhaltlichen Bruch mit der NS-Vergangenheit vollzog. Der Blick auf die Bundesgerichte und das Bundesverfassungsgericht wirft Schlaglichter auf die komplexe Justiz- und Zeitgeschichte der jungen Bundesrepublik.
Die heutige Bundesrepublik zeichnet sich durch hochgradige Juridifizierung von Staat und Gesellschaft aus. Ein maßgeblicher Faktor hierfür liegt in der Neuerrichtung der Bundesgerichte. Trotz personeller Kontinuitäten zum Justizapparat des NS-Systems entwickelte sich in kurzer Zeit eine rechtsstaatlich arbeitende Judikative, die einen klaren inhaltlichen Bruch mit der NS-Vergangenheit bewerkstelligte.
Die hier dokumentierte Ringvorlesung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Sommersemester 2014 wagt erstmalig einen umfassenden Blick auf die komplexe Justizgeschichte der jungen Bundesrepublik. In exemplarischen Zugriffen werden die Bundesgerichte und das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf personelle Kontinuitäten, institutionell veränderte Vorgaben sowie ihre Anknüpfung an Gerichts- und Rechtsprechungstraditionen untersucht.
Inhaltsübersicht:
Walter Pauly: Der unaufhaltsame Aufstieg des Bundesverfassungsgerichts. Selbstinszenierung eines Verfassungsorgans -
Christoph Ohler: Die Rückkehr in die internationale Gemeinschaft. Das Bundesverfassungsgericht als Türhüter des offenen Staates -
Christian Fischer: Bundesgerichtshof als Reichsgericht? Zum Aufbau des oberen Bundesgerichtes der ordentlichen Gerichtsbarkeit und zu seiner frühen Zivilrechtsprechung -
Christian Alexander: Der Einfluss des Verfassungsrechts auf die zivilrechtliche Rechtsfindung und -fortbildung am Beispiel des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts -
Walter Bayer: Unternehmensrecht in der frühen Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH -
Giesela Rühl: Der Einfluss des Grundgesetzes auf die (frühe) Rechtsprechung des BGH zum Internationalen Privatrecht -
Burkhard Jähnke: Aufräumen und neu Beginnen -
Edward Schramm: Skalen der strafrechtlichen Verantwortung für Systemunrecht -
Heiner Alwart: Sinn und Unsinn in der »öffentlichen« Hauptverhandlung. Fritz Bauer (1903-1968): ein maßgebender Generalstaatsanwalt für das 21. Jahrhundert? -
Michael Brenner: Die Herausbildung des Parteibegriffs in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts -
Matthias Knauff: Wirtschaftliche Freiheit im paternalistischen Staat. Betrachtungen im Lichte der frühen Rechtsprechung des BVerwG -
Martina Haedrich: Das Völkerrecht in der frühen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - Rückblick und Ausblick -
Achim Seifert: Das Bundesarbeitsgericht in der »Ära Nipperdey« -
Eberhard Eichenhofer: Erstes Jahrzehnt Bundessozialgericht: Kriegsfolgen und gerichtsfeste Sozialverwaltung -
Anna Leisner-Egensperger: Der Bundesfinanzhof auf dem Weg zu einem rechtsstaatlich verfassungsgeprägten Steuerrecht -
Matthias Ruffert: »Tucked away in the fairytale Duchy of Luxembourg«. Zur Entstehung einer europäischen Gerichtsbarkeit und zu ihrer Wahrnehmung in der Bundesrepublik -
Gerhard Lingelbach: »…es soll schnell und richtig urteilen…!« Zu Aufgaben, Zuständigkeiten und Spruchpraxis des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik