Wie wird das richtige Handeln im Neuen Testament begründet? Die verbreiteten Kategorien von »Indikativ und Imperativ« vereinfachen und verfälschen die Begründungsformen, die die Texte selbst zu erkennen geben. In der Entdeckung einer Vielfalt möglicher Begründungen wird die Einbettung neutestamentlicher Ethik in den Kontext antiker Ethiken ebenso auf neue Weise sichtbar wie die Anschlussfähigkeit frühchristlicher Ethik im gegenwärtigen Diskurs.
Die weit verbreitete Beschreibung der Ethik in neutestamentlichen Schriften mit den Kategorien »Indikativ und Imperativ« hält einer kritischen Prüfung am Text nicht stand. Die Beiträge dieses Sammelbandes versuchen deshalb Begründungsmuster jenseits von Indikativ und Imperativ zu erfassen.
Hierbei werden Verflechtungen mit ethischem Denken im Vor- und Umfeld des Neuen Testaments (z.B. hellenistisches Judentum; Stoa) wahrgenommen; ferner wird die Anwendbarkeit von Leitbegriffen im Diskurs zur antiken Ethik wie z.B. »Lebenskunst« oder »Güterabwägung« in Glücksethiken geprüft.
Im Zentrum stehen die ethischen Begründungsformen in einzelnen neutestamentlichen Schriften, sei es bei Paulus, in den Evangelien oder in der Briefliteratur (Jak, 1Petr). Ein Beitrag zur Begründung der Ethik bei den frühchristlichen Apologeten und ihren Gegnern rundet den Band ab.
Das Ensemble der Beiträge macht deutlich, dass das rechte Tun bzw. das Gute in neutestamentlichen Texten auf ganz unterschiedliche Weise begründet wird und ein komplexer methodischer Zugang erforderlich ist, um diese Argumentationen und Hintergründe deskriptiv darzustellen.
Inhaltsübersicht:
Neutestamentliche Ethik im Dialog mit Ethiken im Vor- und Umfeld des Neuen TestamentsMaximilian Forschner: Das Selbst- und Weltverhältnis des Weisen. Über die stoische Begründung des Guten und Wertvollen -
Hermut Löhr: Elemente eudämonistischer Ethik im Neuen Testament? -
Manfred Lang: Lebenskunst und Ethos. Beobachtungen zu Plutarch, Seneca, Philo von Alexandrien und dem 1. Petrusbrief-
Eckart Otto: Narrative Begründungen von Ethos in der Ethik des Alten und Neuen Testaments -
Eckart Reinmuth: Das Alter würdigen. Antike Anerkennungsdiskurse und Neues Testament -
Christoph Horn: Der Zeitbegriff der antiken Moralphilosophie und das Zeitverständnis des Neues Testaments
Begründungsstrukturen bei PaulusUdo Schnelle: Paulus und Epiktet - zwei ethische Modelle -
Manuel Vogel: Ob Tugend lehrbar sei. Stimmen und Gegenstimmen im hellenistischen Judentum mit einem Ausblick auf Paulus -
Christof Landmesser: Begründungsstrukturen paulinischer Ethik -
David G. Horrell: Particular Identity and Common Ethics. Reflections on the Foundations and Content of Pauline Ethics in 1 Corinthians 5 -
Friedrich Wilhelm Horn: Die Darstellung und Begründung der Ethik des Apostels Paulus in der
new perspectiveBegründungsstrukturen in den Evangelien, im Jakobusbrief und in der Alten KircheRuben Zimmermann: Die Ethico-Ästhetik der Gleichnisse Jesu. Ethik durch literarische Ästhetik am Beispiel der Parabeln im Matthäus-Evangelium -
Troels Engberg-Pedersen: Giving and Doing. The Philosophical Coherence of the Sermon on the Plain -
Rainer Hirsch-Luipold: Prinzipiell-theologische Ethik in der johanneischen Literatur -
Matthias Konradt: Werke als Handlungsdimension des Glaubens. Erwägungen zum Verhältnis von Theologie und Ethik im Jakobusbrief -
Karl-Wilhelm Niebuhr: Ethik und Anthropologie nach dem Jakobusbrief. Eine Skizze -
Ulrich Volp: Beobachtungen zur antiken Kritik an den Begründungszusammenhängen christlicher Ethik