Die Autoren der hier versammelten Studien versuchen das religionsgeschichtliche Profil der durch den Codex Tchacos tradierten Zeugnisse zu erfassen und ihr Verhältnis zu weiteren Traditionsbildungen der gnostischen Religionsgeschichte zu bestimmen.
Nachdem lange Zeit gnostische Traditionen nur aus der Perspektive ihrer Gegner bekannt waren, wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts durch verschiedene archäologische Funde immer mehr gnostische Originalzeugnisse zugänglich. Auf diese Weise ist es nun möglich, das religionsgeschichtliche Profil gnostischer Traditionsbildungen von verschiedenen Zugangsperspektiven ausgehend zu analysieren.
Eine der jüngsten dieser Entdeckungen ist der sogenannte Codex Tchacos, in dessen Rahmen u. a. das bereits von Irenäus von Lyon erwähnte Judasevangelium gefunden wurde. Obwohl der Codex Tchacos bereits im Jahre 1978 entdeckt wurde, konnte er aufgrund ungeklärter Besitzverhältnisse und einer äußerst komplizierten papyrologischen Restauration und Edition erst im Jahre 2006 einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nachdem bereits die ersten Edition des Codex Tchacos und insbesondere des Judasevangeliums eine große wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, wurde die Beschäftigung mit diesem Zeugnis der gnostischen Religionsgeschichte auf eine noch präzisere Textbasis gestellt, insofern die Besitzverhältnisse weiterer bisher ungekannter Fragmente geklärt werden konnten, die nun in die bereits edierten Texte eingefügt werden konnten. Diese neue Textgrundlage bildet das Fundament der hier versammelten Studien, die das religionsgeschichtliche Profil der durch den Codex Tchacos tradierten Zeugnisse zu erfassen und ihr Verhältnis zu weiteren Traditionsbildungen der gnostischen Religionsgeschichte zu bestimmen versuchen.
Inhaltsübersicht:
Gregor Wurst: Zur sprachgeschichtlichen und kodikologischen Eigentümlichkeit des Codex Tchacos -
Johanna Brankaer: Der Codex Tchacos als thematische Textsammlung -
Constanze Dreßler: Das Judasevangelium als vorösterliche Offenbarungsschrift: Überlegungen zu gattungsgeschichtlichen Eigentümlichkeiten -
Herbert Schmid: Was hat der »Judasevangelist« eigentlich gegen die Eucharistie? -
Tobias Nicklas: Der Demiurg des Judasevangeliums -
Jean-Daniel Dubois: The Gospel of Judas and Basilidian Thought -
Enno Edzard Popkes: 'Die Wolken': Beobachtungen zum Motiv der Lichtwolke im »Buch des Allognes« (CT 4) und verwandten Traditionen -
Philippa Townsend: Sacrifice and Race in the Gospel of Judas -
Hans-Gebhard Bethge: »Der Brief des Petrus an Philippus« als Bestandteil von NHC VIII und Codex Tchacos: Beobachtungen und Überlegungen zum überlieferungsgeschichtlichen und inhaltlich-sachlichem Verhältnis beider Paralleltexte -
Silke Petersen: »Die sieben Frauen - sieben Geistkräfte sind sie«. Frauen und Weiblichkeit in der Schrift »Jakobus« (CT 2) und der (ersten) Apokalypse des Jakobus (NHC V,3) -
Claire Clivaz: What is the Current State of Play on Jesus' Laughter? Reading the
Gospel of Judas in the midst of Scholarly Excitement -
David A. Creech: Bodily Delight: The Pro-Life Message of the Gospel of Judas -
Anders Klostergaard Petersen: The Gospel of Judas: A Scriptural Amplification or a Canonical Encroachment? -
Simon Gathercole: Matthean or Lukan Priority? The Use of the NT Gospels in the Gospel of Judas -
Gerard P. Luttikhuizen: Fragments of a Gnostic Anthropology in the Gospel of Judas: A Comparison with the Secret Book of John -
John D. Turner: Dating the Gospel of Judas