Der Band beleuchtet die gesellschaftliche Dimension von Muße in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten aus der Perspektive der Philosophie, Soziologie, Ethnologie, psychosomatischen Medizin, Geschichtswissenschaft, Japanologie, germanistischen Mediävistik, Slavistik, Anglistik sowie der Neueren Deutschen Literaturgeschichte.
Muße ist ein freies Verweilen in der Zeit jenseits von Zweckrationalismus und Utilitarismus. Sie zielt auf Freiheit von Zeitzwängen und unmittelbarer Leistungserwartung, auf ästhetisch und räumlich inszenierte Lebensformen einer Freiheit, die in der Zeit nicht der Herrschaft der Zeit unterliegt. Muße mag damit zunächst als individuelle Erfahrung und Haltung erscheinen, die den Menschen aus gesellschaftlichen Zwängen herausnimmt, aber sie ist auch ein eminent soziales Phänomen. Die Chancen, erfolgreich Räume der Muße für sich zu beanspruchen, sind höchst ungleich verteilt. Der Freiraum zur Muße wird häufig zum nach außen verteidigten Merkmal einer gesellschaftlichen Rolle. Der vorliegende Band, der 17 Aufsätze aus zehn verschiedenen Disziplinen versammelt, beleuchtet die gesellschaftliche Dimension von Muße in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten und verdeutlicht ihr symbolisches Kapital in seinen jeweiligen Ausprägungen.
Inhaltsübersicht:
Gregor Dobler/Peter Philipp Riedl: Einleitung
Muße und ArbeitHans Bertram: Lebenszeit und Alltagszeit. Auf der Suche nach der verloren gegangenen Balance von Muße, Arbeit und Fürsorge im Lebenslauf -
Jochen Gimmel: Mußevolle Arbeit oder ruheloser Müßiggang -
Gregor Dobler: Arbeit, Arbeitslosigkeit und Rhythmus
Kulturelle Codierung und LebensformenJoachim Bauer: Selbststeuerung als Voraussetzung von Muße -
Linus Möllenbrink: »inter negocia literas et cum literis negocia in usu habere«. Die Verbindung von
vita activa und
vita contemplativa im Pirckheimer-Brief Ulrichs von Hutten (1518) -
Caroline Emmelius: Muße - Müßiggang - Nichtsnutzigkeit. Zum Verhältnis von Muße und Arbeit in Morus'
Utopia, im
Ulenspiegel und im
Lalebuch -
Monika Fludernik: Muße als soziale Distinktion -
Simone Müller: Der 'hohe Müßiggänger' (
kōtō yūmin) im sozial-politischen Diskurs der japanischen Moderne -
Alexander Lenger: Die Geisteswissenschaften und ihre Muße. Das akademische Feld zwischen Kreativitätsimperativ und Zweckrationalität
Ästhetische Erfahrung und BildungStefan Matuschek: Muße und Spiel. Schillers Wende von der freien zur befreienden Kunst -
Peter Philipp Riedl: Rastlosigkeit und Reflexion. Zum Verhältnis von
vita activa und
vita contemplativa in Goethes Festspiel
Pandora (1808) -
Elisabeth Cheauré: Faulheit. Muße. Kreativität. Überlegungen zur
OblomowereiFreiraum und InstitutionalisierungBurkhard Hasebrink:Otium contemplationis. Zu einer Begründungsfigur von Autorschaft im
Legatus divinae pietatis Gertruds von Helfta -
Albert Schirrmeister: Die gute und die schlechte Zeit der Muße. Funktionalisierungen von
oisiveté zur Zeit Ludwigs XIV. -
Jochen Gimmel: Vom Fluch der Arbeit und vom Segen des Sabbats. Überlegungen zu einer alternativen Traditionslinie der Muße
Muße und GenderBastian Schlüter: 'Mein Schreibetisch'. Muße erfahren, schreiben, lesen bei Sophie von La Roche -
Elisabeth Cheauré: Muße, Gender - und ein Selbstmord. Zur Funktion von Handarbeiten in L.N. Tolstojs
Anna Karenina