Christoph Markschies setzt seine Studien zur Geschichte der christlichen Gnosis fort. Weder ist der stadtrömische kaiserzeitliche Theologe Valentinus der Gründer der nach ihm benannten »Gnosis« noch sein Schüler Ptolemaeus. Der Autor kommentiert nicht nur den einzigen authentischen Text des Ptolemaeus, seinen Brief an Flora, sondern analysiert Nachrichten über ihn und ergänzt das durch weitere Studien zur Geschichte dieser Richtung christlichen Denkens, die sich besonders durch Anknüpfung an biblische Texte und zeitgenössische Popularphilosophie auszeichnete.
Im vorliegenden Band führt Christoph Markschies seine Studien zur Geschichte der »Valentinianischen Gnosis«, einer der einflussreichsten Schulen der sogenannten christlichen Gnosis, fort. Während sich der erste Band von 1993 mit den Fragmenten und Überlieferungen des angeblichen Schulgründers, des stadtrömischen christlichen Theologen Valentinus (2. Jh. n.Chr.) beschäftigte, geht es in diesem zweiten Band um den ebenfalls in Rom lehrenden christlichen Theologen Ptolemaeus, der gern als zweites Schulhaupt nach dem Gründer wahrgenommen wird. Durch eine sorgfältige Analyse seines beim spätantiken Bischof Epiphanius von Salamis überlieferten Brief an die römische Matrone Flora und eines angeblich seine Lehre zusammenfassenden Referats beim kaiserzeitlichen Bischof Irenaeus von Lyon wird ein eigenständiger christlicher Denker der hohen Kaiserzeit erkennbar, der in Auseinandersetzung mit anderen Autoren seiner Zeit und Anknüpfung an sie Probleme zu lösen versuchte, die sich einem Christen stellten, der auf dem Niveau zeitgenössischer Popularphilosophie dachte. Ein ausführlicher Kommentar zum Brief und seinem Kontext samt einer Einleitung in das Referat seiner Lehren wird ergänzt durch verschiedene Untersuchungen zur Frühgeschichte der nach Valentinus benannten Richtung christlichen Denkens, die schon in der Antike der sogenannten »Erkenntnis« (»Gnosis«) zugeordnet wurde. Im Ergebnis der sorgfältigen philologischen, ideen- und institutionengeschichtlichen Untersuchungen zeigt sich, dass höchstwahrscheinlich weder Valentinus noch Ptolemaeus nach dem Zeugnis ihrer erhaltenen Texte als Urheber der sogenannten Valentinianischen Gnosis in Anspruch genommen werden dürfen, sondern ihre stadtrömischen Schüler in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts.
Inhaltsübersicht:
Einleitung
1. Valentinian Gnosticism. Toward the Anatomy of a School
2. New Research on Ptolemaeus Gnosticus
3. Individuality in Some Gnostic Authors. With a Few Remarks on the Interpretation of Ptolemy,
Epistula ad Floram4. »Grande Notice«. Einige einleitende Bemerkungen zur Überlieferung des sogenannten Systems der Schüler des Ptolemaeus Gnosticus
5. Nochmals: Valentinus und die Gnostikoi. Beobachtungen zu Irenaeus,
haer . 1,30,15 und Tertullianus,
Val . 4,2
6. Die valentinianische Gnosis und Marcion. Einige neue Perspektiven
7. Valentinianische Gnosis in Alexandria und Ägypten
8. Das »Selbst« in der valentinianischen Gnosis
9. Gospel of Truth. Some New Insights on the History of Valentinianism on the Basis of a New Analysis of Genre, Context, and Content
10. Ptolemaeus an Flora (
CPG 1,1135). Griechischer Lesetext des Briefs und seines Kontexts bei Epiphanius von Salamis mit deutscher Übersetzung - Materialien für einen philologischen und inhaltlichen Kommentar