Die Reformationsforschung ist im Umbruch, verschiedene Deutungsmodelle bieten neue Interpretationsansätze. Der vorliegende Band versammelt neben kirchenhistorischen auch literatur-, kunst-, musik- wie allgemeingeschichtliche Perspektiven auf gestaltende Ereigniskonstellationen, die»Reformation« als multidimensionales Phänomen den historisch Interessierten vor Augen führen.
2017 hat es deutlich gezeigt: "Reformation" unterliegt als historisches Phänomen der Deutung der jeweiligen Zeitgenossen und -genossinnen. Nicht allein ereignisgeschichtlich, sondern auch methodisch hat sich die Reformationsforschung seitdem von ihrer dynamischen wie kreativen Seite gezeigt. Der inzwischen "klassischen" Deutung der Reformation als "Umbruch“, als "Zeitenwende" mit nahezu eschatologischer Dimension stellt der folgende Band transformationstheoretische Zugänge zu den Ereignissen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Seite. Dabei lässt sich beobachten, dass die Kategorie der "Transformation" disziplinenübergreifend an Plausibilität gewinnt, je tiefer sie gedacht wird. Neben kirchenhistorischen Beiträgen versammelt dieser Band auch literatur-, kunst-, musik- wie allgemeingeschichtliche Perspektiven auf gestaltende Ereigniskonstellationen, die "Reformation" als multidimensionales Phänomen den historisch Interessierten vor Augen führen. Die kultursoziologische Diagnose, die den Band methodisch eröffnet, verdeutlicht zudem die Bedeutung des Transformationsbegriffs für eine gegenwärtige Lebensgestaltung. Wie die Beiträge zeigen können, ist "Transformation" nicht ein beliebiger Wechselbegriff für langsame und prozessuale Veränderungen im geschichtlichen Ablauf, sondern ein in sich kräftiges und dynamisches Konzept zur Gestaltung der jeweiligen Zeitgenossenschaft in einem oszillierenden Verhältnis zur Vergangenheit. Gerade für jene Verschiebungen, die am Beginn des 16. Jahrhunderts stehen, soll der Transformationsbegriff neue Deutungsmöglichkeiten eröffnen, die "Reformation" als ein historisches Geschehen mit bleibender Bedeutung in interdisziplinärer Hinsicht erscheinen lassen.
Inhaltsübersicht:
Volker Leppin/Stefan Michels: Einleitung
1. Perspektiven
Ulrich H.J. Körtner: "Siehe, ich mache alles neu!" Reformation als eschatologisches Geschehen - jenseits von Reform und Transformation -
Jörn Ahrens: Transformation - Eine kultursoziologische Perspektive -
Volker Leppin: Transformation - Ein Modell zur Bestimmung von Kontinuität im Wandel -
Wolf-Friedrich Schäufele: Christentumsgeschichte als Transformationsgeschichte -
Ute Gause: Transformation statt Reformation als "sanfte Signatur“? Eine Erörterung -
Johannes Helmrath: Das Berliner Konzept "Transformationen der Antike" - Kann es für die Reformationsforschung taugen?
2. Konkretionen
Matthieu Arnold: Die Straßburger Reformation: Eine Transformation? -
Inken Schmidt-Voges: Reform(ation) in der Transformation - Ehe, Haus und Familie vom 15. bis 17. Jahrhundert -
Anna Pawlak: Klagende Bilder - Der Bethlehemitische Kindermord in der niederländischen Kunst der Frühen Neuzeit -
Thomas Schipperges: Luther und die Geige - Transformationen zu Genesis 4,21-22 -
Stefan Michels: Taktvolle Christologie - Zur Aneignung der Lehre Luthers von der Idiomenkommunikation im Weihnachtsoratorium Johann Sebastian Bachs -
Friedrich Vollhardt: Bußtheologie für Laien? Die Jenseitsvision in der Literatur des Spätmittelalters und der Reformationszeit -
Jörg Robert: Reformation und Literaturreform - Spracharbeit, Purismus und Poetik im 16. und 17. Jahrhundert (Luther, Clajus, Opitz)