Der weite Lebensbereich der Fortpflanzung, von der Zeugung über Schwangerschaft bis hin zur Geburt, wird im Verfassungsrechtsdiskurs bisher unsystematisch dargestellt. Laura Anna Klein plädiert deshalb für eine grundrechtliche Neujustierung, die disziplinübergreifende Erkenntnisse berücksichtigt und menschenrechtliche Gewährleistungen einbezieht.
Laura Anna Klein widmet sich den Entscheidungen von Individuen im Kontext der Zeugung, während der Schwangerschaft und der Geburt nicht nur auf der Ebene des Verfassungsrechts, sondern bezieht soziologische, ethische, rechtspolitische und internationale Debatten in ihre Überlegungen ein. Mithilfe eines theoretischen Rahmens zu reproduktiven Freiheiten analysiert und reflektiert sie kritisch, wie das Bundesverfassungsgericht und die Rechtswissenschaft den Lebensbereich der Reproduktion bisher verhandeln. Im Anschluss erfolgt eine Darstellung der internationalen Debatte um reproduktive Gesundheit und Rechte, um schließlich für eine grundrechtliche Neujustierung des Lebensbereichs zu plädieren, die menschenrechtliche Gewährleistungen und empirische Erkenntnisse angemessen berücksichtigt. Dabei zeigt sie Handlungsoptionen, Aufträge und Grenzen für gesetzgeberisches Handeln und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse auf.
Die Arbeit wurde mit dem Preis der Dr. Feldbausch-Stiftung 2023, dem Sibylle Kalhoff-Rose Akademie-Preis für Geisteswissenschaften 2023 und dem 2. Preis des Deutschen Studienpreises 2023 ausgezeichnet.
Inhaltsübersicht:
Kapitel 1: EinführungI. Einleitung
II. Disziplinübergreifende Erkenntnisse
III. Konzeption der Arbeit
Kapitel 2: Bisherige Konzepte und BegriffsvorschlagI. Von Konzepten und Kontroversen
II. Begriffsvorschlag: Reproduktive Freiheiten als Analysebegriff
Kapitel 3: Reproduktive Freiheiten in der Rechtsprechung
des BundesverfassungsgerichtsI. Einleitung
II. Zum Verhältnis von Sexualität und Reproduktion
III. Von der Freiheit, über die eigene Fortpflanzungsfähigkeit zu
bestimmen
IV. Zum Verhältnis von Ehe, Familie und reproduktiven Freiheiten
V. Vom Schutz von Schwangeren und zur Freiheit, eine
Schwangerschaft zu beenden
VI. Zusammenfassung und Würdigung der Rechtsprechung
Kapitel 4: Reproduktive Freiheiten in der VerfassungsrechtsliteraturI. Einleitung
II. Reproduktion als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Schutzes
der Ehe (Art. 6 Abs. 1 Alt. 1 GG)
III. Reproduktive Freiheiten als Bestandteil des Familiengrundrechts
(Art. 6 Abs. 1 Alt. 2 GG)
IV. Reproduktion als Bestandteil des Elternrechts
(Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG)
V. Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit als Teil des Schutz- und Fürsorgeanspruchs der Mutter (Art. 6 Abs. 4 GG)
VI. Reproduktive Freiheiten als Bestandteil des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG)
VII. Das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung als Teil des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts
(Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)
VIII. Reproduktive Freiheiten als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
IX. Exkurs: Embryozentrierte Erörterung reproduktiver Fragestellungen
im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG bzw. Art. 1 Abs. 1 GG
X. Zusammenfassung und Würdigung der Literatur
Kapitel 5: Reproduktive Rechte im internationalen RechtI. Einleitung
II. Menschenrechtliche Garantien
III. Europäische Menschenrechtskonvention und Äußerungen
des Europarats
IV. Zusammenfassung und Würdigung
Kapitel 6: Zur angemessenen grundrechtlichen Konzeption reproduktiver Freiheiten
I. Einleitung
II. Berücksichtigung internationaler Garantien bei der Auslegung von Grundrechten
III. Wesentliche Grundrechtsnormen für die Gewährleistung
reproduktiver Freiheiten
IV. Lebensweltlich orientierte Überlegungen zur angemessenen grundrechtlichen Konzeption reproduktiver Freiheiten
Kapitel 7: Schlussbetrachtung