Prozessionen kommunizieren sowohl Religiöses wie Soziales als auch Politisches. Aufgrund dieses Ineinander von Macht, Religion und Kultur lassen sie sich als Indikatoren wie Katalysatoren des dynamischen Verhältnisses von Religiös-Sakralem und Säkular-Profanem verstehen. Dies rekonstruiert der Band sowohl epochenübergreifend wie interdisziplinär. Dargestellt werden u.a. antike Triumphzüge, frühneuzeitliche Universitätszüge, Arbeiter- und Trauerumzüge des 19. Jahrhunderts, aber auch gegenwärtige Demonstrationen und die Loveparade.
Prozessionen sind mehrdimensionale soziale Praktiken. Sie dienen der Dar- wie Herstellung soziokultureller Ordnungen und Werte. Sie kommunizieren sowohl Religiöses wie Soziales als auch Politisches. Aufgrund dieses Ineinander von Macht, Religion und Kultur sind Prozessionen angelegt auf ritualdynamische Experimente und religionskulturelle Weiterentwicklungen. Diese Entwicklungen rekonstruiert der Band, indem er städtische Prozessionen auf das dynamische Verhältnis von »Religiös-Sakral« und »Säkular-Profan« bezieht. Im Zentrum stehen solche Prozessionen und Umzüge, deren Anlass und Funktion sich nicht unmittelbar dem religiösen Kult und der kirchlichen Liturgie verdanken, also z.B. Triumphzüge, politische Demonstrationen, Universitätsumzüge, Trauerzüge etc. Die Nachzeichnung des rituellen Verhältnisses des »Religiösen« und »Säkularen« erfolgt sowohl epochenübergreifend wie interdisziplinär.
Inhaltsübersicht:
Ruth Conrad: »Religiöse Grundierung säkularer Prozessionen« - eine
contradictio in adiecto? Oder: Umzüge, Einzüge, Aufmärsche und die Frage nach der Religion. Eine Einleitung
Sektion I: Antike / Alte Kirche
Volker Henning Drecoll: Der Einzug Konstantins in Rom 312 n.Chr. -
Mischa Meier: Der 'Triumph Belisars' 534 n.Chr. -
Steffen Diefenbach: Zur Dynamik kaiserlicher Siegesrituale in der Spätantike. Konstantinopel und Rom im Vergleich -
Robert Kirstein: Spektakuläre Fiktionen. Ovids Triumphdarstellungen in Amores 1.2 und Tristien 4.2
Sektion II: Spätmittelalter / Frühe Neuzeit
Sabine Reichert: Die spätmittelalterliche Reginen-Prozessionen in Osnabrück. Religiöse Festkultur als Erinnerungsträger -
Thomas Weller: Ordnung in Bewegung. Zur politisch-sozialen Funktion von Prozessionen in der frühneuzeitlichen Stadt -
Marian Füssel: Adventus, Umritt und Cortège. Prozessionen im gelehrten Milieu der Frühen Neuzeit
Sektion III: 19. und erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
Hans-Ulrich Thamer: Symbolische Politik durch Umzüge und Paraden im Zeitalter der Französischen Revolution -
Lena Krull: Reformation, Revolution, Prozession. Geschichtsbezug in katholischen Prozessionen in Westfalen nach 1850 -
Manfred Hettling: »Ehrenvoll zu Grabe getragen«. Bewegung und Entritualisierung im Gefallenengedenken in Deutschland -
Matthias Warstat: Bewegung als Theater. Umzüge und Aufmärsche der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik -
Thomas Rohkrämer: Bewegung und Ordnung. Aufmärsche im Nationalsozialismus
Sektion IV: Gegenwart
Dominik Burkard: Säkulare oder religiöse Form städtischer Selbstvergewisserung? Überlegungen zu den sakral-liturgischen Ursprüngen und Anleihen der »Kinderzeche« von Dinkelsbühl -
Ronald Hitzler: Umzug ins Aus. Transformation und düsteres Ende der Loveparade -
Gregor Betz: Protestprozessionen. Rituale zeitgenössischer Protestgemeinschaften
Rückblick und Ausblick
Angela Treiber: »Säkulare Prozessionen«. Zur religiösen Grundierung von Umzügen, Einzügen und Aufmärschen. Erträge, Problemfelder und Diskussionsimpulse einer Tagung