Auf welche Grundlage darf das Gericht seine Entscheidung über die Wahrheit einer streitigen Tatsache im Zivilprozess stützen? Joshua Fisher untersucht das Verhältnis von Strengbeweis und freier richterlicher Beweiswürdigung und zeigt dabei, dass die zulässigen Erkenntnisquellen weit weniger beschränkt sind als weithin angenommen.
Auf welche Grundlage darf das Gericht seine Entscheidung über die Wahrheit einer streitigen Tatsache im Zivilprozess stützen? Die zulässigen Erkenntnisquellen werden regelmäßig unter Berufung auf einen »Strengbeweis« mit den in der ZPO geregelten Beweismitteln gleichgesetzt und demzufolge als beschränkt erachtet (»numerus clausus«). Joshua Fisher widerlegt diese Annahme mittels einer Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, demzufolge das Gericht »unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme« zu entscheiden hat. Durch eine Analyse der Zwecke der förmlichen Beweisaufnahme kann das Spannungsverhältnis zwischen Strengbeweis und freier richterlicher Beweiswürdigung aufgelöst werden. Als rechtsvergleichende Folie dient das Recht von England und Wales.
Inhaltsübersicht:
A. Zielsetzung der Untersuchung
B. Aktualität trotz Grundsätzlichkeit der Themenstellung
C. Gang der Untersuchung
D. Warum nicht verfahrensrechtsübergreifend?
A. Die Definition des Strengbeweises
B. Die Merkmale der Förmlichkeit des Strengbeweises in drei Aspekten
C. Befreiung von den Förmlichkeiten bei dem Freibeweis
D. Vergleichende Betrachtungen zum Recht von England und Wales: Strengbeweis im englischen zivilprozessualen Beweisrecht?
A. Die Annäherung der formellen Wahrheit an die objektive Wahrheit
B. Die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Tatsachenfeststellung
C. Die Mitwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten der Parteien hinsichtlich der Tatsachenfeststellung
D. Die Begrenzung richterlicher Macht bei der Tatsachenfeststellung
E. Der Schutz der Interessen Dritter bei der Tatsachenfeststellung
F. Die Beschleunigung der Tatsachenfeststellung
G. Die Sicherung der Gleichförmigkeit der Tatsachenfeststellung
H. Die Entlastung der Ressourcen der Justiz
I. Die Chancengleichheit der Parteien
J. Ergebnis
A. Grammatikalische Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
B. Definition und Bestandteile des gesamten Inhalts der Verhandlungen i.S.d. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
C. Systematische Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
D. Historische Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
E. Teleologische Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
F. Vergleichende Betrachtungen zum Recht von England und Wales hinsichtlich der zulässigen Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung
G. Ergebnis der Auslegung des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO
A. Die Begrenzung des Strengbeweises und Stärkung der Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung
B. Die Rationalisierung, die Materialisierung und der Ausgleich von liberaler und sozialer Prozessidee