»Ohne Arbeit kein Lohn«. Von diesem Grundsatz enthält § 615 BGB eine gesetzlich geregelte Ausnahme. Eingeordnet wird § 615 BGB als sog. Anspruchserhaltungsnorm. Katarina Kolak überprüft diese Einordnung und entwickelt ein neuartiges Erklärungskonzept für die systematische Einordnung und Rechtsnatur der Norm.
§ 615 BGB wird nahezu einhellig als sog. Anspruchserhaltungsnorm eingeordnet. Sie erhält den Vergütungsanspruch des Dienstleistungsschuldners in Ausnahme zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB aufrecht. Ob diese - bislang kaum hinterfragte - Einordnung zutreffend ist, stellt Katarina Kolak auf den Prüfstand. Sie unternimmt den Versuch, ein neuartiges Erklärungskonzept für die systematische Einordnung und Rechtsnatur der Norm zu entwickeln. Dazu beleuchtet sie das systematische Verständnis der Norm sowohl rechtshistorisch als auch unter dem Blickwinkel allgemeiner leistungsstörungsrechtlicher Grundlagen. Die Autorin gelangt zu dem Ergebnis, dass es sich bei § 615 S. 1 bzw. S. 3 BGB um eine eigenständige Anspruchsgrundlage handelt, die die Geltendmachung des vertraglichen Vergütungsanspruchs unter Durchbrechung der synallagmatischen Verknüpfung von Dienstleistungs- und Vergütungspflicht ermöglicht.
Inhaltsübersicht:
Einleitung
A. Ziel der Untersuchung
B. Praktische Relevanz der Untersuchung
1. Kapitel: Historische Entwicklung der Verteilung von Leistungs- und Gegenleistungsgefahr im DienstverhältnisA. Rechtsnatur und systematische Einordnung des § 615 S. 1, S. 3 BGB in der rechtswissenschaftlichen Diskussion
B. Historische Entwicklung des § 615 BGB
2. Kapitel: Die Annahmeunmöglichkeit im tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 615 S. 1, S. 3 BGB - Das Verhältnis von Annahmeverzug und UnmöglichkeitA. Das Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Annahmeverzug und Unmöglichkeit als Ausgangsproblematik
B. Die in Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagenen Lösungen
C. Die einschränkende Auslegung des § 615 S. 1 BGB
D. Zusammenfassung und Ergebnis
3. Kapitel: Nachholbare Dienste im tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 615 S. 1, S. 3 BGB
A. Der absolute Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung
B. Die tatbestandliche Erfassung nachholbarer Dienstleistungen durch § 615 BGB
C. Konsequenzen für die systematische Einordnung des § 615 S. 1, S. 3 BGB
4. Kapitel: Die materielle Subsidiarität des § 275 BGB gegenüber §615 BGBA. Vorliegen eines materiellen Subsidiaritätsverhältnisses zwischen § 275 BGB und § 615 BGB
B. Vorrangigkeit des § 615 S. 1, S. 3 BGB - Auflösung nach dem Prinzip materieller Subsidiarität
C. Zusammenfassung und Ergebnis
5. Kapitel: Die Rechtsnatur des § 615 S. 1, S. 3 BGBA. § 615 BGB als Gefahrtragungsnorm - Hinderungsgrund für eine Eigenschaft als Anspruchsgrundlage?
B. Die Leistung der Dienste als Entstehungsvoraussetzung des auf § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 611a Abs. 2 BGB gestützten Vergütungsanspruchs
C. Die Herleitung der Anspruchsnormenqualität aus dem Wortlaut des § 615 S. 1 BGB
D. Die synallagmatische Verknüpfung von Dienstleistungs- und Vergütungspflicht als Inhalt der vertraglichen Vergütungsvereinbarung und die Auswirkungen auf die Normenqualität des § 615 BGB
E. Der Inhalt des auf § 615 S. 1, S. 3 BGB gestützten Anspruchs
F. Ergebnis
6. Kapitel: Die für den Anspruch aus § 615 S. 1, S. 3 BGB geltenden Modalitäten und die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes (MiLoG)A. Allgemeine Anspruchsmodalitäten
B. Die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf § 615 BGB
Zusammenfassung der Thesen und Ergebnisse der UntersuchungA. Erkenntnisse aus der historischen Entstehungsgeschichte des § 615 BGB
B. Der tatbestandliche Anwendungsbereich des § 615 S. 1, S. 3 BGB
C. Das Verhältnis des § 615 S. 1, S. 3 BGB zum Normenkomplex der §§ 275, 326 BGB
D. § 615 S. 1, S. 3 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage für den vertraglichen Vergütungsanspruch