In den Beiträgen dieses Bandes wird die Theokratie als Idee und politisches Argument in den drei monotheistischen Weltreligionen unter verschiedenen historischen Konstellationen erörtert. Im Einzelnen beziehen sich die Autoren auf den Vorderen Orient und Europa von der biblischen Zeit bis in die Gegenwart.
Die Autoren untersuchen das Verhältnis von Religion und Politik kultur- und epochenübergreifend anhand eines Extremfalls: der Theokratie, das heißt der Idee einer Gottesherrschaft auf Erden. Diese Idee gehört zur Tradition der drei großen monotheistischen Religionen. Ihre Überzeugungskraft unterliegt indes historischen Konjunkturen: Phasen des Auf- und Abschwungs, der Verschärfung und Entschärfung wechseln einander ab. Weil das theokratische Argument fest in der religiösen Tradition verankert ist, kann es in Identitätskrisen stets aktualisiert werden. In den einzelnen Beiträgen, die sich auf historische Konstellationen vom pharaonischen Ägypten und biblischen Israel bis in die Gegenwart beziehen, wird danach gefragt, unter welchen Bedingungen das theokratische Argument auf fruchtbaren Boden fällt, welche Akteure oder Statusgruppen sich des theokratischen Arguments bedienen, und welche politischen und gesellschaftlichen Folgewirkungen damit jeweils verknüpft sind.
Inhaltsübersicht:
Jan Assmann: Theokratie im Alten Ägypten -
Martin Leuenberger: Die theokratische Theologie des Psalters -
Rainer Albertz: Theokratie und Gewaltenteilung. Der sog. Verfassungsentwurf des Ezechiel (Ez 40-48) -
Egon Flaig: Radikale Anthroponomie. Wieso griechische Polis und Theokratie diametrale Gegensätze sind -
Kai Trampedach: Schwierigkeiten mit der Theokratie. Warum die römische Herrschaft in Judäa scheiterte -
Matthias Konradt: Das Verständnis der Königsherrschaft Gottes bei Jesus von Nazareth -
Ronen Reichman: Grenzen theokratischer Orientierung in der halachischen Tradition -
Ulrich Gotter: Autoritätskonflikte. Kaiser, Kirche und das Problem der zivilen Gewalt in der Spätantike -
Guy Stroumsa: God's Rule in Late Antiquity -
Lutz Greisiger: Messianische versus politische Theokratie. Kaiser Herakleios und die Restitutio Crucis in imperialer Propaganda und nahöstlicher Apokalyptik -
Sebastian Scholz: Das Papsttum und die theokratischen Ansprüche der Herrscher im frühen Mittelalter -
Steffen Patzold: Das theokratische Argument im Frankenreich der Karolingerzeit (8./9. Jahrhundert) -
Tilmann Nagel: Theokratie im frühen Islam. Von Mohammed zum Kalifat der Omaijaden -
Susanne Enderwitz: Islam, Gesellschaft und Theokratie im Mittelalter -
Thomas Kaufmann: Theokratische Konzeptionen in der spätmittelalterlichen Reformliteratur und in der Radikalen Reformation -
Volker Reinhardt: Mythos Theokratie? Politik und Reformation im Genf Calvins -
Christof Strohm: Theokratisches Denken bei calvinistischen Theologen und Juristen am Beginn der Moderne? -
Andreas Pečar: Monarchie und Theokratie in England. Symbiose und Konkurrenz zweier Herrschermodelle von der Reformation bis zum Bürgerkrieg -
Ronald G. Asch: »Regibus ut scires sanctius esse nihil«. Die umstrittene Sakralität des französischen Königtums. Von der Ermordung Heinrichs III. bis zum Tode Ludwigs XIII., 1589-1643. Eine Antwort auf theokratische Ordnungsmodelle? -
Hans-Dieter Metzger:,Jethros Rat'. Gottesherrschaft und Gemeindeverfassung in England, Massachusetts und Sierra Leone (1550-1800) -
Gudrun Krämer: Gottes-Recht bricht Menschen-Recht. Theokratische Entwurfe im zeitgenossischen Islam