Quellen aus der Mark Brandenburg veranschaulichen exemplarisch, wie das Luthertum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Herausforderung von Seuchen umging. Es kam darauf an, medizinische und politische Maßnahmen mit der richtigen religiösen Deutung zu verbinden. Seuchen als Gericht Gottes über die eigene Sünde zu verstehen, diese Sünde zu bereuen und auf die Zusage der Gnade Gottes zu vertrauen, war für die Menschen damals plausibel und animierte zu verantwortlichem Handeln.
Veränderte die Reformation den Umgang mit Seuchen? Vor allem zur Pest gibt es zahlreiche Quellen aus dem 16. Jahrhundert, die belegen, dass der frühneuzeitliche Protestantismus einerseits an die spätmittelalterliche Tradition anknüpfte, andererseits aber auch neue Akzente setzte. Die Mark Brandenburg kann als Beispiel dienen, wie das Luthertum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Herausforderung durch Epidemien umging und dabei Einsichten der Reformation nutzbar machte. Fast in jedem Jahrzehnt des Reformationsjahrhunderts kam es zu Pestausbrüchen, die die Gemeinschaft und jeden Einzelnen schwer trafen. Beim Umgang mit der Pest war zum einen die Verbindung der medizinischen und politischen Seuchenbekämpfung mit der religiösen Krankheitsbewältigung wichtig; beides gehörte für das frühneuzeitliche Luthertum so eng zusammen, dass man von der »zweierlei Arznei« sprechen kann. Zum anderen war die theologisch überzeugende Deutung von Epidemien wichtig; sie als Gericht Gottes über die eigene Sünde zu begreifen, diese Sünde zu bereuen und sich der Verheißung von Gottes Gnade anzuvertrauen, war für die Menschen damals plausibel. Die Geschichte von Davids Volkszählung (2.Sam. 24, 1.Chron. 21) und Psalm 91 erwiesen sich als wichtige biblische Bezugspunkte für diesen Umgang mit der Pest - ein Umgang, der nicht resignieren ließ, sondern zu Selbstbesinnung und verantwortlichem Handeln anleitete.
Inhaltsübersicht:
Einleitung1. Die Pest in der Mark Brandenburg
2. Pestschriften
I. Medizin1. Konrad Schwestermüllers Regiment und Lehre wider die schwere Krankheit der Pest (1484)
2. Märkische Ärzte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
II. Politik1. Die älteste bekannte Pestordnung von 1552
2. Gegen die Seuchen vorsorgen. Die Vorschläge des Berliner Stadtarztes Matthäus Fleck aus dem Jahr 1566
3. Die kurfürstliche Pestordnung von 1598
III. Religion1. Geistliche Diagnose und Therapie aus der Sicht des Mediziners: Jodokus Willich (1549)
2. Geistliche Diagnose und Therapie der Pest aus der Sicht des Theologen: Andreas Musculus (1565)
3. Gegen die Seuche ansingen: Bartholomäus Ringwaldt (1577)
4. Seelsorge angesichts der Übermacht der Seuche: Stephan Prätorius (1598)