Early Christianity (EC)

Geschäftsführender Herausgeber: Jens Schröter

Herausgeber: Jörg Frey (Zürich), Teresa Morgan (New Haven), Clare K. Rothschild (Chicago) und Jens Schröter (Berlin)

Beirat (2023-2025): Mordechai Aviam (Kinneret College), Dylan Burns (Amsterdam),  John S. Kloppenborg (Toronto), Christina Kreinecker (Leuven), Laura Suzanne Lieber (Durham, N.C.), Hindy Najman (Oxford), Janet Spittler (Charlottesville) und Jürgen K. Zangenberg (Leiden)

ISSN 1868-7032 (Gedruckte Ausgabe)
ISSN 1868-8020 (Online-Ausgabe)

Gegenstand der Zeitschrift ist das frühe Christentum als historisches Phänomen. Die Bezeichnung "frühes Christentum" soll dabei signalisieren, dass die Vielfalt derjenigen Aspekte in den Blick treten soll, die die Entstehung der christlichen Schriften vornehmlich der ersten beiden Jahrhunderte, ihre Rezeption sowie die Entstehung eines Corpus für die christliche Kirche verbindlicher Texte betreffen.

 

 

Programmatik

1.1  Das erste Dezennium des 21. Jahrhunderts ist ein willkommener Zeitpunkt für eine Reflexion über den gegenwärtigen Stand der neutestamentlichen Wissenschaft. Eröffnet das vor uns liegende Jahrhundert neue Möglichkeiten und Wege der Interpretation des Neuen Testaments, die sich zuvor nicht in dieser Weise abgezeichnet hatten? In welche Richtungen und in welchen Kontexten sollte sich die Forschung am Neuen Testament künftig entwickeln? Derartige Fragen stehen am Beginn eines neuen Projekts im Rahmen der neutestamentlichen Wissenschaft, das im Folgenden vorgestellt werden soll.

1.2  Die Zeitschrift Early Christianity beschäftigt sich mit dem frühen Christentum als einem historischen Phänomen. So selbstverständlich dies auf den ersten Blick erscheinen mag, teilen die Herausgeber doch eine spezifische Vorstellung von dem damit umrissenen Forschungsgebiet. Mit der Sicht auf das frühe Christentum als einem historischen Phänomen sollen Perspektiven eröffnet werden, die aus unserer Sicht für die künftige Entwicklung des Faches weiterführend und ertragreich sind. Unser Anliegen ist es deshalb ausdrücklich, das frühe Christentum in einem breiten Kontext zu erforschen, um auf diese Weise die Vielfalt der Phänomene vor Augen treten zu lassen, die sich mit der Entstehung und frühen Entwicklung des Christentums verbinden.

2.1  Early Christianity wird sich deshalb ausdrücklich nicht auf die Erforschung der neutestamentlichen Schriften allein beschränken. Unser Interesse gilt vielmehr dem frühen Christentum und seiner Literatur in der ganzen Breite, von der die neutestamentlichen Texte nur einen Ausschnitt bilden. Die Bedeutung außerkanonischer Texte ist in den letzten Jahrzehnten durch neue Textfunde und -editionen immer deutlicher ins Bewusstsein getreten. Die kanonischen Texte können deshalb nicht länger isoliert von der übrigen christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte studiert werden.

Dies bedeutet allerdings keine Relativierung oder gar Infragestellung des neutestamentlichen bzw. gesamtbiblischen Kanons. Vielmehr geht es darum, die Entstehung des Kanons im Kontext der frühchristlichen Literatur insgesamt historisch verständlich zu machen. Zweifellos werden die kanonischen Texte des Neuen Testaments dabei auch weiterhin einen Schwerpunkt der Erforschung der frühchristlichen Literatur bilden. Sie in den größeren Kontext etwa der antiken christlichen Apokryphen, der apologetischen und der häresiologischen Literatur des frühen Christentums zu stellen, impliziert jedoch eine bewusst weitere Perspektive auf diese Texte.

2.2  Die Bezeichnung „frühes Christentum“ bezieht sich demnach nicht nur auf das erste, sondern ausdrücklich auch auf das zweite christliche Jahrhundert. Im Blick ist also das Christentum der ersten beiden Jahrhunderte seines Bestehens. Gerade das zweite Jahrhundert erweist sich in dieser Hinsicht als ein überaus faszinierendes Gebiet der frühchristlichen Theologiegeschichte. Die in früheren Zeiten bereits enger verknüpften Forschungsgebiete der neutestamentlichen und der patristischen Wissenschaft sollen dazu bewusst miteinander verzahnt werden. Dekadenztheorien, die sich mit Begriffen wie "Frühkatholizismus" oder "Protoorthodoxie" verbinden, sind nicht geeignet, das Phänomen des frühen Christentums angemessen zu beschreiben. Stattdessen wird das Neue Testament als Ergebnis eines Rezeptionsprozesses betrachtet, der sich bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts und darüber hinaus erstreckt.

Indem das Neue Testament auf diese Weise gleichermaßen als ein Produkt des zweiten Jahrhunderts wie des ersten aufgefasst wird, will Early Christianity einen bewussten Akzent innerhalb der Forschung an der frühchristlichen Literatur setzen. Rezeption tritt dabei als ein Konzept in den Blick, das dem der Produktion korrespondiert. Rezeption und Produktion sollen demnach im Blick auf das Neue Testament und die frühchristliche Literatur miteinander in Beziehung gesetzt werden.

2.3  Das frühe Christentum als historisches Phänomen zu verstehen, bedeutet auch, seine geschichtlichen Entstehungsbedingungen so umfassend wie möglich auszuleuchten. Dazu soll die Vielfalt derjenigen Phänomene in den Blick kommen, die für die Situation des frühen Christentums zu berücksichtigen sind – wie etwa Gemeindestrukturen, Kommunikationswege und -formen, Konflikte und deren Ursachen, aber auch Überreste materialer Kultur, um nur einiges zu nennen. Die Texte sollen auf diese Weise in den weiteren Horizont der Welt eingeordnet werden, der sie entstammen.

Die Lebensäußerungen des frühen Christentums sind stets eng mit denen seiner Umwelt verbunden. Diese Beziehungen sind hochkomplex und umfassen vielfältige Fragestellungen und Forschungsrichtungen. Zu Recht ist deshalb traditionell die Bedeutung des ursprünglichen Kontextes als Schlüssel zum Verstehen der Schriften des Neuen Testaments hervorgehoben worden. Ein solcher "ursprünglicher Kontext" ist allerdings nicht als geschlossenes System zu verstehen, etwa als Situation nur einer speziellen urchristlichen Gemeinde. Es geht vielmehr immer um eine Vielzahl von Kontexten – linguistische, literarische, soziale, philosophische, politische, religiöse, theologische etc. Dabei fordert die ständig wachsende Zahl der bekannt werdenden geschichtlichen Zeugnisse dazu heraus, die Vielfalt der Kontexte, die für das frühe Christentum von Bedeutung sind, immer wieder neu auszuleuchten. Die dabei zutage tretende Vielfalt lässt das frühe Christentum als Phänomen am Schnittpunkt von jüdischer und paganer griechisch-römischer Welt erscheinen.

Early Christianity will diese Vielfalt der Kontexte reflektieren und aus möglichst vielen Perspektiven neues Licht auf das frühe Christentum fallen lassen. Dies soll nicht zuletzt dadurch erreicht werden, dass Kolleginnen und Kollegen anderer Disziplinen – etwa aus der Geschichtswissenschaft, der Altphilologie, der Archäologie oder der Philosophie – zur Mitarbeit eingeladen werden.

2.4  Neben dem historischen ist der theologische ein weiterer wesentlicher Aspekt der Erforschung des frühen Christentums. In unserem Forschungsbereich spielen theologische Fragestellungen unterschiedlicher konfessioneller Traditionen stets eine wichtige Rolle. Die Erforschung des frühen Christentums ist dabei für jede Form christlicher Theologie von grundlegender Bedeutung, die den christlichen Wahrheitsanspruch vor den historischen Ursprüngen des Christentums verantworten will. Die Dynamik zwischen historischer Forschung und theologischer Verantwortung des christlichen Glaubens ist deshalb ein der christlichen Theologie innewohnendes Charakteristikum, das auch in dieser Zeitschrift seinen Niederschlag finden soll. Die neutestamentliche Wissenschaft nimmt dazu an einer Vielzahl interdisziplinärer Diskurse teil und leistet so aufgrund ihrer zugleich historischen wie theologischen Ausrichtung einen spezifischen Beitrag zu gesamttheologischen Fragestellungen.

3.1  Es versteht sich dabei von selbst, dass Early Christianity keiner bestimmten theologischen Position oder Richtung verpflichtet ist. Wir erhoffen uns vielmehr Beiträge aus möglichst zahlreichen religiösen und auch nicht-religiösen Denktraditionen. Die heute selbstverständliche Zusammenarbeit von protestantischen, katholischen, orthodoxen, jüdischen und nicht-religiösen Forschern ist eine erfreuliche Entwicklung unseres Faches und hat dessen Charakter sowohl in der Forschung als auch in der Zusammensetzung der scholarly community grundlegend verändert. Nicht minder wichtig ist der wachsende Anteil von Kolleginnen an den Diskursen des Faches. Diese Vielfalt der Perspektiven soll nach dem Wunsch der Herausgeber in möglichst jedem Heft seinen Niederschlag finden.

3.2  In all dieser Mannigfaltigkeit haben wir doch teil an einem gemeinsamen wissenschaftlichen Erbe. Die Herausgeber dieser Zeitschrift wollen deshalb das Gespräch und die gegenseitige Wahrnehmung der angelsächsischen und der deutschsprachigen Forschung weiter befördern und bereits bestehende Kooperationen verstärken. Es ist ein dezidiertes Anliegen der neuen Zeitschrift, die Internationalität der wissenschaftlichen Diskurse zu stärken, auch und gerade über Sprachgrenzen hinweg. Auf diese Weise können Forschungs- und Denktraditionen, die mitunter eher nebeneinander stehen, fruchtbar aufeinander bezogen werden.

3.3  Early Christianity erscheint vierteljährlich. Jedes Heft enthält vier oder fünf Aufsätze, von denen zumindest einer in deutscher Sprache sein wird. Darüber hinaus enthalten die Hefte Rubriken zu "New Books", "New Discoveries" und "New Projects", die über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der neutestamentlichen Wissenschaft und der Erforschung des frühen Christentums und seiner frühjüdischen und griechisch-römischen Kontexte informieren.

Jedes Heft wird von einem der vier Herausgeber betreut, jedes zweite Heft ist einem speziellen Thema gewidmet. Diese Themenhefte enthalten jeweils eine Einführung des Herausgebers, ihre Beiträge werden angefragt. Folgende Themenhefte sind bereits geplant und in Vorbereitung: Heft 1/2010: "New Directions in Pauline Theology" (herausgegeben von Francis Watson); Heft 3/2010: "Jesus and his Contexts“ (Jens Schröter); Heft 1/2011 "Christology and its Early Jewish Roots" (Jörg Frey); Heft 3/2011 "Eucharist Traditions in Early Christianity" (Clare K. Rothschild) . Die "offenen" Hefte werden Artikel zu allen Themen aus dem oben umrissenen Forschungsgebiet des frühen Christentums und seiner Kontexte enthalten. Wir nehmen gerne Beiträge in Englisch und Deutsch auf. Wir laden ebenso dazu ein, Beiträge zu den genannten Rubriken "New Discoveries" und "New Projects" einzusenden. Der Rezensionsteil konzentriert sich auf wichtige neue Publikationen zu zentralen Fragestellungen aus dem Gebiet des frühen Christentums und seiner Kontexte.

3.4  Wir sind zuversichtlich, dass Early Christianity zur Weiterentwicklung unseres Faches beitragen wird und freuen uns auf die Diskurse, die unsere neue Zeitschrift anregen und für die sie ein Forum darstellen möchte.

 

Jörg Frey (Zürich)
Teresa Morgan (Oxford)
Clare K. Rothschild (Chicago)
Jens Schröter (Berlin)