Moritz Reichenbach untersucht das Privatrecht der Europäischen Union auf Anhaltspunkte für die Herausbildung einer übergreifenden, unionseuropäischen Gerechtigkeitsvorstellung, die der weiteren Ausgestaltung, Interpretation und Fortbildung des Unionsprivatrechts als Grundlage dienen kann.
Als »inneres System« bilden die übergreifenden Prinzipien und Grundsätze einer Rechtsordnung nach traditionellem deutschen Verständnis ein tragendes Element der Dogmatisierung des positiven Rechtsstoffs. Zugleich bringen sie die spezifische Gerechtigkeitsvorstellung, die sich in der Rechtsordnung verwirklicht wissen will, und damit deren Grundlage und ultimativen Fluchtpunkt zum Ausdruck. Ob sich inzwischen – zumal unter dem Eindruck der fortlaufenden Globalisierung – auch auf unionseuropäischer Ebene eine das Unionsrecht überwölbende Gerechtigkeitsvorstellung herausgebildet hat (oder zumindest herauszubilden beginnt), ist eine Frage, deren Beantwortung von zentraler Bedeutung für die Bewältigung aktueller und künftiger unionsrechtlicher Problemstellungen sein dürfte. Den hierin begründeten Untersuchungsauftrag nimmt Moritz Reichenbach zum Anlass, das Privatrecht der Europäischen Union auf Anhaltspunkte für eine solche unionseuropäische Gerechtigkeitsvorstellung zu durchleuchten.
Inhaltsübersicht
I. Einführung
II. Terminologische und begriffliche Grundlagen
1. Unionsrecht und Unionsprivatrecht
2. Rechtsbegriff
3. Begriff der Rechtsgemeinschaft
III. Entwicklungsgeschichte des Systemdenkens in der deutschen Jurisprudenz
1. Naturrechtliche Wurzeln
2. Deutscher Idealismus
3. Savigny und die Historische Rechtsschule
4. Neukantianismus
5. Interessenjurisprudenz
6. Engischs »Einheit der Rechtsordnung“
7. Canaris' Systemdenken
8. Kritik an Canaris' Systemdenken
9. Zusammenfassung
IV. Entwicklungsgeschichte des Systemdenkens in der unionseuropäischen Jurisprudenz und Rechtsprechung
1. Überblick über den Entwicklungs- und Diskussionsstand in der Literatur
2. Die Rechtsprechung des EuGH
3. Desiderate
V. Theoretische Grundlagen unionsrechtlicher Systembildung
1. Prinzipielle Einwände gegen unionsrechtliche Systembildung
2. Systemeigenschaft des Unionsrechts
3. Der juristische Systembegriff
VI. Analyse ausgewählter Teilgebiete des Unionsprivatrechts
1. Unionales Schuldvertragsrecht
2. Unionales Gesellschaftsrecht
3. Unionales Kapitalmarktrecht
4. Weitere Rechtsgebiete
5. Ergebnis
VII. Positivistische Systemkonzeptionen
VIII. Bedenken aus englischer Perspektive
IX. Zusammenfassung und Ausblick
X. Thesen